Samstag, 19. Mai 2007

Über Freiheitsgrade

In einem Projekt vor einigen Jahren musste ich für meine Agentur sehr kurzfristig ein Angebot für eine Website erstellen. Die Geschäftsführung des Kunden hatte uns gegen den Willen des Projektteams ins Boot geholt, und ich wusste, dass der Projektleiter auf Kundenseite alles tun würde um uns draußen zu halten (das Projekt endete übrigens genauso krank wie es begonnen hatte, aber das ist eine andere Geschichte...)

Interessanterweise war der Projektleiter nicht komplett unkooperativ. Er setzte eine verbindliche und recht knappe Timeline zur Abgabe des Angebots, Verzug hätte bedeutet dass das Angebot nicht berücksichtigt würde (denn er selber hatte von seinem Management ebenfalls ein knappes Timing für das Gesamtprojekt bekommen). Im Gegenzug hat er uns mit Material zum Angebot geradezu zugekippt und mehrfach nachgefragt ob er denn auch wirklich alle Unterstützung geleistet hat die wir benötigen - was wir schriftlich bestätigen mussten. Tatsächlich konnten wir in der Zeit die Informationen gar nicht alle bewältigen.

Er hat uns mit dieser Strategie maximal unter Druck gesetzt ohne sich selber angreifbar zu machen. Hätte sich im Nachhinein herausgestellt, dass er blockiert hat, wäre möglicherweise eine zweite Angebotsrunde die Folge gewesen. Man könnte daraus folgendes lernen: Auch in weniger aufgeladenen Situationen sollte man sich als IT-Projektmanager angewöhnen, allen Beteiligten ein Mindestmaß an Freiheitsgraden zu lassen, aber gleichzeitig Termine und Grenzen setzen (das gilt übrigens auch für die Erziehung von Kindern, wenn man der einschlägigen Ratgeberliteratur glauben schenken darf. Meine Kinder können allerdings noch nicht lesen):

Beispiel 1:Man ist im Projekt auf Materiallieferungen oder Freigaben des Kunden angewiesen. Auf jeden Fall im voraus eine Frist setzen, die aber nicht zu knapp halten! Wenn der Kunde sie nicht einhält und darauf hinweist, dass sie lächerlich kurz war, hat man wenig Hebel. Eisernes Beharren auf sinnlosen Timelines steht einem Dienstleister nicht sehr gut zu Gesicht. Wenn der Kunde die Frist nicht einhält, auf jeden Fall reagieren, sonst kommt die Frage auf wozu denn die Frist da ist, wenn sie ohne Konsequenzen verstreichen darf.

Beispiel 2: Man muss auf Kundenwunsch mit einem zweiten Dienstleister zusammenarbeiten (etwa weil der Design macht und die eigene Agentur die technische Umsetzung). Es gilt das Gleiche wie in Beispiel 1, auch hier sollte es für Übergaben und Bugfixes angemessene Termine geben damit im Problemfall der Kunde den anderen Dienstleister nicht noch in Schutz nehmen muss. Insbesondere dürfen Probleme in der Zusammenarbeit (nicht eingehaltene Übergaben) nicht zu spät dem Kunden mitgeteilt werden. Das fällt unter "Den Hof sauber halten", ich komme in einem späteren Posting darauf zurück.

Eine Frist nicht zu setzen signalisiert Kunden und anderen Projektbeteiligten übrigens, dass die Lieferung im Zweifelsfall einen Tag vor Deadline erfolgen kann. Und das völlig zu recht.

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